AnlaufPunkt

Montag, 3. April 2006

Schock

Hallo Schwesterherz,

jetzt weiß ich wie es ist - sich in die Arbeit stürzen, wenn etwas schockierendes passiert ist. Dann bleibt erst einmal alles in weiter Ferne, was den Menschen belasten oder traurig machen kann.

Das Leben läuft seit Wochen wie gehetzt und ich suche die Hetze. Abends falle ich mehr als müde ins Bett und kann über nichts mehr nachdenken.

Doch dann kommt ein kurzer Moment wie ein kleines Flimmern einer Warnlampe in den Tagesablauf. Dann denke ich mit einem Schrecken an dich, denke. das es nicht sein kann, das du schon seit Wochen auf dem Friedhofes unseres Heitmatdorfes ruhst.

frieda-selma19-wochen-058Das war der Ort, in dem wir gespielt und gelacht haben. Das war der Ort, in dem wir zur Schule gingen - eine Landschule mit alten und neuen Lehrern. Das war der Ort, in dem wir keine Tanzabend auslassen wollten. Die Dorfkapellen spielten auf und wir liefen hin und jeder von uns himmelte einen von den Musikern an. Der Gitarrist oder der Schlagzeuger, sie hatten immer recht gute Karten, wenn es um die Gunst der himmlischen Mädchen des Dorfes ging.
In dem Dorf erlebten wir unsere ersten Jungendlieben und saßen mit unserem Freund an romantsichen Plätze in der Abendsonne.
Jetzt liegst du da, auch an einem romantischen Platz. Du selbst hattest den Ort für unsere Mutter schön hergerichtet und nun übernimmt es deine Familien, die dich so sehr vermißt, dass man besser gar nicht über dich reden sollte. Dein Name ist wie ein Stich ins Herz von jedem seiner Familie.

Dein Mann hat eine Weg gefunden, sich weiter an dir festzuhalten. Ein Schreiben deines behandelnden Arztes mit Lobgesängen über dich hat er sich kopiert und zeigt das Schreiben jeden, den er vor dir erzählt.

Mir fehlen unsere gemeinsamen Gespräche, du fejlst mir mit deiner Klugheit - dein Platz ist leer - deine Stimme ist verstummt. Diese Tatsache dringt nur schwerfällig in mein Bewußtsein.

Samstag, 25. Februar 2006

feinsinnige Rückkehr

Hallo Schwesterherz,

das Leben in der Familie läuft jetzt solala. Wir sind alle noch schockiert, du hast ernst gemacht und du bist gegangen. Drei Jahre kämpften wir um dich, doch du hattest dein Schicksal schon besiedelt. Du hattest alles gegeben, was du konntest und dann hattest du außer körperliche Kraftlosigkeit nichts mehr zu geben.

Gestern fand ich im Schrank noch einen Film, er war noch nicht entwickelt. Ich weiß, auf dem Fim bist du. Die Aufnahmen machte ich noch bevor du in die Therapie gegangen bist.

Damals war ich erschrocken, denn ein Gedanke rauschte mir unbemerkt durch den Kopf "So hat sie ausgesehen". Ich war empört über meine unkontrollierten Gedanken und forderte sie gleich wieder zur Ordnung auf. "So dürft ihr nicht denken" maßregelte ich sie. Aber die klopften von Zeit zu Zeit immer wieder an mein Gemüt und heut weiß ich, sie hatten Recht.

Dein Platz neben uns ist leer und doch bist du noch da, mit deiner Stimme, deiner Sanftmut und deinem Herzen.

Dienstag, 31. Januar 2006

Trauerarbeit

Die Trauer um mein SchwesterHerz war gestern, nach fast drei Wochen wieder so präsent wie am ersten Tag.

Es fiel mir nach deiner Bestattung schwer, wieder in den Alltagstrott einzusteigen. "Ich kann doch nicht einfach so weiter leben, als wäre nichts gewesen?" Solche und ähnliche Vorwürfe quälten mich auf den Weg zur Arbeit.

Ich hatte die letzten 3 Wochen verbracht, als lebte ich in einer Höhle, die von der Außenwelt abgeschlossen war. So bliebt die Erde und die Zeit für mich stehen.

Aber nach der Beerdigung ist alles anders. Ein schlechtes Gewissen plagt mich, weil ich einfach so weiterlebe, als wäre meine Schwester noch da.

Ich fühle dabei einen Verrat an DICH, obwohl mein Verstand es mir immer wieder einbleut - das Leben geht weiter.

Montag, 30. Januar 2006

Weg des Abschieds

Hallo Schwesterherz,

Du bist jetzt an dem Platz, den du dir für danach gewünscht hattest. Jeder deiner Familie war bemüht, den Ablauf deiner Bestattung in deinem Sinne festzulegen.

Es ist ein schöner und ein leicht erhöhter Platz, mit Blick auf den Bodden.

Sehr viele Menschen begleiteten dich auf deinem letzten Weg - sie kamen von weit her um von dir Abschied zu nehmen.

Aber ich glaube, für uns wird erst jetzt der Phase des Abschiednehmens wir erst jetzt eingeleitet und den Weg wird lang sein.

Wie in den letzten Tagen, so auch jetzt, begleiten mich die Zweifel, haben wir alles gemacht? Haben wir alles bedacht? Hätten wir einen anderen Weg gehen müssen?

Mich plagt die Frage - haben wir alles getan um dich von der stetig abgleitende schiefen Ebene wegzuzerren?????

Freitag, 27. Januar 2006

schwebende Leichtigkeit

Hallo Schwesterherz,

Der Tag ist gekommen.

Damit du weiter aus der Enge deines Lebens entfliehen kannst, werden wir den letzten Weg mit gehen dir gemeinsam gehen. Die Familie versammelt sich schon - alle sind noch fassungslos und haben Angst vor der Stunde des Abschiednehmens.

Alle werden da sein, alle wollen sich von dir verabschieden und ein letztes mal "Lebwohl" sagen, wohin du auch immer entschwunden bist.

Die Realität wollen mein Herz und mein Verstand noch nicht realisieren. Doch sie lassen ab und zu mal eine Lücke von der bitteren Wahrheit an meine Bewußtsein dringen. Dann fließen meine Tränen wieder in Strömen.

Jetzt erleiden wir, deine Angehörigen, was du schon Monate vorher erleiden mußtest - den schlimmsten Abschiedsschmerz, den es auf Erden gibt.

Mit klopfenden und tränenden Herzen werde ich dich heut mit weichen Knien begleiten.

Der Erde entflogen erlebst du vielleicht jetzt die alltägliche Leichtigkeit, nach der du dich in den letzten Jahren schon immer zurück geseht hattest.
Deine Schwester

Montag, 16. Januar 2006

WärmeZufuhr

Hallo Schwesterherz,

ich hoffe, deine Seele fand eine neue Bleibe, die dir die Wärme wiedergibt, die das Leben in den letzten Jahren deinem Körper entzog.

In der letzten Nacht schlief ich das erste Mal nach deinem Fortgang durch. Vor dem Einschlafen war ich in Gedanken bei K., unserer jüngsten Schwester. Sie kümmerte sich in den letzten drei Jahren auf eine besondere Weise um dich, deshalb liefen bei ihr alle Fäden, die deine Heilung betrafen, zusammen. Du warst für sie die Mutter, die uns ja schon vor ein paar Jahren verlassen hatte und ihre Angst vor deinem Verlust hatte ein anderes Gesicht als meine Angst.

Als ich gestern Nacht in Gedanken bei K. war, sah ich unsere Mutter wieder. Mit großen Augen sah sie mich an und nickte mir zu. Es tat gut, noch einmal in das Gesicht unserer Mutter zu schauen und insgeheim war ich froh, dass sie deinen Leidensweg nicht mehr mit ansehen mußte.

Sonntag, 15. Januar 2006

Verstecke

Hallo Schwesterherz,

so sprach ich dich immer an, wenn ich dich am Telefon hatte und dann folge meine obligatorische Frage "Wie geht es dir" Und an deiner Stimme konnte ich auch deine wahre Verfassung ablesen. Wenn sie dünn und zittrig war, dann wußte ich, es ging dir nicht gut.

Meine Ohnmacht war in solchen Momenten so sehr erdrückend für mich, dass mir meine Ratschläge mehr als banal vorkame und ich wußte, dass sie banals waren.

Die Flucht in die Banalität war die Kiste, in der sich meine Ohnmacht sehr gut verstecken lies. Ich habe sie während ich bei dir war, sehr oft gebraucht.

Erst jetzt öffnet sich unter Tränen die übervolle Kiste und flimmert mir all die Momente entgegen, in denen ich mich ohnmächtig und verzweifelt fühlte.

Donnerstag, 12. Januar 2006

Kirche im Dorf

Hallo Schwesterherz,

heut möchte ich mal wieder nach dir schauen. Ich hoffe, mit dieser virtuellen Umgebung hab ich deinen Geschmack getroffen. Im Gegensatz zu mir liebtest du zarteren Farben. Die Bilder aus unseren Heimatort sind von einer sanften Farbe umgeben.

Ein Spruch sagt, man sollte die Kirche im Dorf lassen, doch heut mache ich für dich eine Ausnahme und zeige dir die Dorfkirche von unserem Heimatdorf.

Die Kirche ist auf diesem Foto noch vom frischen Grün des Frühlings verdeckt. Die ersten warmen Sonnenstrahlen brachte dir von außen wieder etwas Wärme in deinen Körper zurück. Die wenige Energie, die du noch hattest, sog die Krankheit auf und so warst du über jeden Sonnenstrahl glücklich.

Deine Tapferkeit hab ich immer bewundert.

Selten Tränen und fast nie eine Klage.

Du hattest dich eingerichtet in die Situation, die beklemmend und ausweglos war.

Mittwoch, 11. Januar 2006

virtuelle BlumenInsel

Hallo Schwesterherz,

ich verschaffe dir hier erst einmal virtuelle Insel mit leuchtend roten Mohnblumen. Das ist die Natur, die du immer liebtest.

Die Insel ist ein Anlaufpunkt für mich und ich nenne dich hier bei dem Namen, den ich schon immer für dich hatte - mein SchwesterHerz.

BildQuelle0http://www.blackstein.de/Seit Sonntag ist eine Kommunikation persönlich oder per Telefon mit dir leider nicht mehr möglich, eine klassische Verbindung von dir zu mir wird nie wieder möglich sein. Das ist ür mich noch nicht vorstellbar und bevor ich die grausame Realität akzeptiere, werde ich dich an diesem Ort immer wieder aufsuchen.

Am Sonntag passierte das unwiderrufliche, das, wovor wir alle Angst hatten, das, wovor ich am liebsten die Augen geschlossen hätte. Doch unauhaltsam kam jeder neue Morgen und brachte uns grausam dem Tag näher, an dem wir uns für immer von dir verabschieden mußten.

Seit dem bin ich in Trauer, die nicht auf hören will.

Mein Verstand sagt was alle sagen, der entgültige Abschied ist das beste für sie, also für dich. Und ich gebe zu, ich konnte deinen gequälten Körper kaum noch ansehen und mein Herz zog sich zusammen, wenn ich deine zittrige dünne Stimme am Telefon hörte und ich war froh, dass ich meinen inneren Aufschrei vor dir verbergen konnte. Aber vielleicht hast du meinen stummen Aufschrei doch wahr genommen........
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"Wenn du bei Nacht den Himmel anschaust, wird es dir sein, als lachten alle Sterne, weil ich auf einem von ihnen wohne, weil ich auf einem von ihnen lache."----- aus- Der kleine Prinz

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